Rock Your Writing

Von | Juli 31, 2017

Cathy Yardley beschreibt sich selbst als die-hard Plotterin. Wer gerne englischsprachige Schreib­ratgeber liest und sich dafür interessiert, wie andere bei der Entwicklung ihrer Geschichten vorgehen, für den halte ich »Rock Your Writing« gut geeignet.

Rock Your Writing

Foto: G. Kienle

»The complete series« fasst vier ihrer Bücher zusammen:

  • Rock Your Plot
  • Rock Your Revisions
  • Rock Your Query
  • Write Every Day

Rock Your Plot
Im ersten Buch erläutert Cathy Yardley ihr Vorgehen, das mich an das 7-Punkte-System von Dan Wells erinnert. Sie beginnt damit, über eine Idee nachzudenken, und arbeitet zunächst »Goal«, »Motivation« und »Conflict« der Hauptfigur heraus. Danach widmet sie sich dem Personal der Geschichte und legt deren grundsätzlichen Eigenschaften fest. Gegen diese Basis prüft sie immer wieder den nachfolgenden Plot; oder passt gegebenenfalls die Grundlagen an.
Im Anschluss definiert sie verschiedene Plotpunkte – jedoch etwas anders und in unterschiedlicher Reihenfolge als Dan Wells.
Aus den Plotpunkten und deren Übergängen ergeben sich die einzelnen Szenen. Für jede Szene schreibt sie eigene Definitionen von »Goal«, »Motivation« und »Conflict«, ergänzt um das »Desaster«, mit dem jede Szene endet. Vom Umfang her, empfiehlt sie, dass Beschreibungen auf einem Post-It Notizzettel Platz finden – die man wahlweise an einer Pinnwand aufreihen, oder elektronisch verwalten kann.
Alle Schritte beschreibt sie sehr anschaulich, ausführlich und gibt Beispiele.

Rock Your Revisions
Im Vordergrund steht auch hier wieder der Prozess. Ratschläge wie »Töten Sie jedes Adjektiv.« oder »Schreiben Sie aktiv.« sind nicht das Thema dieses Ratgebers.
Cathy Yardley unterteilt den Überarbeitungsprozess in drei grobe Schritte:
Strukturelle Überarbeitung
Szenen überarbeiten
Feinpolieren
Soweit nicht überraschend, aber es lohnt sich, sich diese Trennung ständig vor Augen zu führen, damit man in der strukturellen Überarbeitung nicht doch wieder anfängt an einzelnen Formulierungen herumzubasteln.
Die groben Schritte teilt sie in zahlreiche Unterschritte auf und erläutert auch hier sehr anschaulich, wie sie vorgeht.

Rock Your Query
Wie bewirbt man seine Geschichten? Und bei wem?
Von der Auswahl der Zielgruppe (Agenturen, Verlage), über das Anschreiben, das Exposé und den Leseproben handelt das dritte Buch.
Ein Großteil des Inhalts gilt auch für den deutschen Markt und die Anregungen sind hilfreich, aber hier empfiehlt sich ein Blick in einschlägige Internetforen oder Schreibratgeber (wie z.B. »Schreiben ist nichts für Feiglinge« von Hans Peter Roentgen).

Write Every Day
Im letzten Buch schreibt Cathy Yardley über den Metaprozess, der Plotten, Überarbeiten und Bewerben umfasst. Was nützen die drei bisherigen Bücher, wenn es nicht gelingt, sich hinzusetzen und zu schreiben? Thematisiert werden Dinge, die vom Schreiben abhalten: mangelnde Zeit, mangelnde Energie und Ängste. Für alle Hemmnisse beschreibt sie Strategien damit umzugehen und wie man einen »Action Plan« aufstellt – also letztendlich, welche Maßnahmen man dagegen ergreifen kann.
Aber auch das Schaffen von Routinen und Freiräumen. Zum Thema Freiräume und Kreativität möchte ich auf einen Vortrag von John Cleese verweisen.

Fazit
Manche Geschichten schreibe ich aus dem Bauch heraus, nur nach einer Idee, und alles entwickelt sich von selbst (Beispiel »Die schwebenden Mönche«). Meistens plane ich jedoch bis auf Szenenebene herunter. So entstand »Das magische Auge« beispielsweise nach dem 7-Punkte-System von Dan Wells.
Vieles in den Büchern von Cathy Yardley deckt sich mit meinem aktuellen Prozess. Darüber hinaus fand ich zahlreiche Hinweise und Anregungen, was ich noch besser tun könnte. Und die Dinge, die ich aufgegriffen habe, machten mir das Leben bei der letzten geschriebenen Kurzgeschichte leichter. Für mich ist das Buch eine gelungene Mischung aus Bekanntem (was mich auf meinem jetzigen Weg bestätigt) und Neuem (was mich auf meinem zukünftigen Weg weiterbringt).
Kritiker des (strengen) Plottens werden einwenden, dass dadurch die Kreativität verloren geht und seelenlose Klischeegeschichten entstehen, die auch von Computern generiert werden könnten. Das finde ich nicht. Für mich bietet ein detaillierter Plot ein stabiles Gerüst, das mich während der Rohfassung stützt und mich davor bewahrt die Geschichte später mehrfach umkrempeln zu müssen. Aber für diese Kritiker wurde das Buch auch nicht geschrieben. Und die Diskussion darüber ist älter als »Star Trek vs. Star Wars«.
In diesem Sinne: »Long and prosper, you shall live.«

10 kostenlose Lektionen – unabhängig vom Buch
Wer den Newsletter von Cathy Yardley abboniert, bekommt an zehn aufeinander folgenden Tagen jeweils eine Lektion per E-Mail zugesendet. Sie sollen als Hilfe dienen, den eigenen Standort als Autor zu überdenken, persönliche Ziele zu definieren und den eigenen Prozess zu verbessern. Am Ende jeder Lektion steht eine kleine Hausaufgabe. In der Regel soll man schriftlich zusammenfassen, was der Inhalt der Lektion für einen selbst bedeutet.
Für jemanden wie mich, der sich ständig damit beschäftigt, wie er sich verbessern kann, sind interessante Anregungen dabei. Die kostenlosen Downloads auf ihrer Seite (and other cool stuff) sind Listen und Formulare die den Prozess unterstützen können – mich persönlich jedoch nicht angesprochen haben.
Also: Wer möchte, einfach ausprobieren.