Interview von Veronika Lackerbauer

31.08.2018
Wenn ich nur Zeit für ein einziges Buch hätte, welches deiner Bücher müsste ich unbedingt lesen?

Klassische Antwort: Meine nächste Veröffentlichung. 😉 Im Oktober 2018 erscheint im Verlag Torsten Low die Anthologie „Maschinen“ (Storyolympiade 2017/2018). Darin enthalten ist mein Beitrag Der Recycler. Die Geschichte um einen einsamen Astronauten, der seiner großen Liebe nachtrauert. Seine Raumstation, auf der er Weltraumschrott recycled, droht geschlossen zu werden. Da er sich zu lange im Weltall aufgehalten hat, könnte er sich auf der Erde nur noch im Rollstuhl bewegen.

Sprachlich finde ich Das magische Auge aus der Anthologie „Das Dimensionstor“ (Amrun Verlag) sehr gelungen. Unbedingt beide lesen. 😀

Welche(s) Genre(s) schreibst du und warum?

Meine Hauptgenres sind Fantasy und Science Fiction. Solche Geschichten habe ich von klein auf geliebt und zentnerweise verschlungen. Mich faszinieren sowohl das Mystische als auch das Technische. Und beide Genre entführen mich als Leser in fremde, aufregende Welten.

Wie bist du zum Schreiben gekommen?

Seit ich denken kann, sind Geschichten in meinem Kopf. Da lag es nahe, sie aufzuschreiben. Allerdings schrieb ich viel zul ange nur sporadisch und habe erst in den letzten Jahren damit begonnen, mich gezielt zu verbessern. Sporadisch im Sinne von ein Kurzgeschichtenfragment alle fünf Jahre. Erst seit knapp drei Jahren schreibe ich täglich.

Wann hast du dein erstes Buch veröffentlicht, wie heißt es und wo wurde es verlegt?

Ahh, mein Debüt. 🙂 2014 erschien Die schwebenden Mönche in der Anthologie „Stille“ (Storyolympiade 2013/2014) beim Verlag Torsten Low.

Meine erste Bewerbung, meine erste Zusage. Danach dauerte es zehn Absagen bis zur nächsten Veröffentlichung. Zum Glück hatte ich Freunde, die auch schreiben und mich durch das Tal der Tränen begleitet haben.

Wie stehst du dazu: Verlag oder Self-Publishing?

Wenn andere selbst veröffentlichen finde ich das in Ordnung. Für wichtig halte ich ein ordentliches Lektorat. Um das zu bezahlen, muss man eine Menge Bücher verkaufen. Deshalb sehe ich das für mich momentan nicht als Weg. Dazu kommt ein sehr hoher Aufwand, das Buch zu bewerben.

Wer sind deine Vorbilder?

Ich habe keine Idole, denen ich nacheifere, weder stilistisch noch inhaltlich. Aber Science Fiction Fans meiner Generation kommen an einem Autor kaum vorbei: William Voltz konnte in nur wenigen Sätzen eine Nähe zwischen seinen Figuren und den Lesern herstellen. Das fasziniert mich. Er schrieb immer sowohl sehr menschlich, als auch sehr spannend. Seine Geschichten lese ich regelmäßig.

Erwähnen sollte ich auch Andreas Eschbach. Manche Geschichten finde ich großartig, andere haben Schwächen. Besonders gut gefallen mir die Tipps auf seiner Homepage. Die kann ich uneingeschränkt empfehlen.

Beide haben übrigens eine jeweils sehr erfolgreiche Geschichte über eine Raumstation geschrieben. – Dass meine nächste Veröffentlichung im Orbit spielt, ist natürlich reiner Zufall.

Was rätst du jemandem, der sagt: Ich möchte gern ein Buch schreiben?

Sag’s nicht, mach’s!“

Es gibt viele Menschen, von denen ich das gehört habe. Die wenigsten davon werden es tun. Für die anderen:

Lies viel (machst du eh, wetten?), schreib einfach drauf los, lies über das Schreiben und/oder schau dich auf Youtube um (z.B. bei Susanne Pavlovic, sie erklärt gut und schreibt auch wunderbar), schreib, schreib, schreib. Aktuell sehe ich mir die Vorlesungen von Brandon Sanderson an.

Ich vergleiche das mit dem Laufen. Es ist gut, wenn man sich mit Trainingsplänen, Lauftechnik und Ernährung auseinandersetzt, aber noch wichtiger sind die Kilometer, die man jede Woche runterschrubbt. Routine finde ich wichtig, also feste Zeiten und Regelmäßigkeit.

Mich reizen Kurzgeschichten, weil der komplette Zyklus von der Idee bis zur Abgabe sehr kurz ist und ich danach etwas völlig anderes schreiben kann. Das halte ich für einen sehr effektiven Weg zu „trainieren“. Aber jeder tickt anders. Manche schreiben lieber an einem Roman. Das muss jeder für sich herausfinden.

Wenn es irgendwie geht, dann vernetz dich (z.B. auf Messen). Umgib dich mit Gleichgesinnten und finde deinen Schreibbuddy. Sich gegenseitig zu Lektorieren bringt beiden Seiten enorm viel.

Wenn du heute mit dem Schreiben aufhören müsstest, dann … ?

schreib ich morgen wieder weiter. 😀

Woran arbeitest du gerade?

Wie bei vielen Kolleginnen und Kollegen läuft mir einiges (quasi-)parallel. Akut überarbeite ich eine Kurzgeschichte, in der unheimliche Dinge in einer Küstenstadt in Neuengland geschehen. In der Schublade liegt ein so gut wie fertiges Exposé zu einer Kurzgeschichte, in der sich wilde Wikinger im Weltraum die Köpfe einschlagen. Dafür habe ich noch drei bis vier Monate Zeit, also keinen Stress.

Bei drei Kurzgeschichten warte ich aufs Lektorat. Sie erscheinen 2019 (Torsten Low, Leseratten, Kelebek). Und auf alle drei freue ich mich schon riesig!

In den letzten Monaten hat sich die Idee zu einem Roman verdichtet. Daran arbeite ich immer wieder mal ein bisschen. Aber es wird sicher noch lange dauern, bis ich mit der Rohfassung beginne. Dafür gibt es zu viele spannende Ausschreibungen für Kurzgeschichten.
Und dann ist da noch die Idee zu einer Anthologie, als Herausgeber. Aber das ist alles noch sehr vage.

Wie kriegst du die Muse dazu, dich zu küssen?

Ich kenne zwei Varianten:

a) Routine

Unter der Woche pendle ich zur Arbeit. Ich setze mich (in der Regel) allein an einen Tisch streife die Kopfhörer über, klappe den Laptop auf und fange an zu arbeiten (planen, schreiben und überarbeiten).
Ich mag klar definierte Prozesse und plotte sehr gerne. Damit ist der Weg vom Kopf bis zur Abgabefassung in überschaubare Schritte unterteilt und ich stehe nicht vor einem riesigen Berg und muss überlegen, was ich als Nächstes tue.

Es gibt auch Tage, da habe ich keine rechte Lust, aber die sind selten.

Initiale Ideen entwickle ich oft am Wochenende, an meinem Whiteboard.

b) „Die synaptische Apokalypse“

Da überfällt mich das Luder, ohne Vorwarnung, und knutscht mich hemmungslos nieder. Dann hechte ich zur Tastatur und gebe mich dem Synapsenfeuerwerk hin. So entstand zum Beispiel Seitenwechsel aus der Schnittergarn-Anthologie (Leseratten Verlag). In diesem Fall eine sehr schräge Geschichte, die sicher nicht jedem liegt.

c) Ja ich weiß, ich hatte zwei Varianten geschrieben. Aber. 😉

Es hilft eine kreative Umgebung bzw. Einstellung zu schaffen. Auf Youtube gibt es dazu einen interessanten Vortrag von John Cleese (on creativity). Die Muse muss sich bei dir auch wohlfühlen.

Wann und wo schreibst du normalerweise?

An Werktagen morgens, für eine knappe Stunde, im Linienkatamaran, auf dem Bodensee. Mit dem Blick auf die Schweizer Alpen, oder auf dichten Nebel. Zumindest behaupte ich das immer wieder. In Wahrheit sehe ich nur den Bildschirm vor mir. 😀

Alle zwei Wochen schreibe ich freitags vier Stunden lang zuhause. Neben meinem Schreibtisch hängt ein Whiteboard. Das nutze ich intensiv für Brainstorming und spontane Ideen.

Meine Handschrift legt nahe, dass ich so gut wie immer elektronisch schreibe. Daher habe ich mir einen alten Thinkpad gekauft (die Tastatur ist ein Traum). Ich verwende sehr gern Papyrus Autor. Auf dem (elektronischen) Denkbrett entstehen ebenfalls viele Geschichten.

Wer oder was ist der größte Feind deiner Arbeit?

a) Die Ankunft des Katamarans im Zielhafen. Das ist manchmal ganz schön hart.

b) Schulfreie Freitage (so wie heute) und drei Kinder. Das ist noch härter.

Wenn du etwas an der Buchszene verändern könntest, was wäre das?

Die Mehrzahl der Leser weiß vermutlich gar nicht, dass Kleinverlage existieren, bzw. nimmt sie nicht wahr. Dabei gibt es dort viele fantastische Geschichten zu entdecken. Das ist wie mit Konzerten von lokalen Bands. Manchmal fragt man sich, warum solche Musiker nicht im Radio gespielt werden (statt dem ganzen Einheitsbrei).

Die meisten Kleinverleger arbeiten hauptberuflich in einem „richtigen Job“ und engagieren sich in ihrer Freizeit für ihre Verlage. Sie sind es, die Anthologien ausschreiben und jungen Talenten (und spätberufenen 😉 eine Möglichkeit bieten, veröffentlicht zu werden. Dafür bin ich ihnen außerordentlich dankbar und würde mir wünschen, dass sie ein wenig mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung in der Öffentlichkeit bekommen würden.

Wenn du mit einem Buch ein gesellschaftliches oder politisches Problem beseitigen könntest, wofür würdest du schreiben?

Für eines der zentralen Themen halte ich den friedlichen Austausch verschiedener Menschen, mit unterschiedlichen Meinungen. Was mich aktuell stört, ist der Verfall der Diskussionskultur. Es ist fast unmöglich geworden, sich differenziert zu äußern und Fragen zu stellen. Sehr schnell wird man in eine von zwei Schubladen gesteckt. Es gibt nur noch schwarz oder weiß, gut oder schlecht, links oder rechts. Von Graustufen keine Rede mehr, geschweige denn von Farben.

Witzigerweise (nein, traurigerweise) auch von Linken, die den Rechten gerne vorwerfen, der Faschismus begänne stets damit, die Menschen in uns und die zu unterteilen. Sie merken gar nicht, dass sie selbst in diesen beiden Kategorien denken.

Ich möchte, dass die Menschen ihren Gegenübern zuhören und darüber nachdenken, was den anderen bewegt. Durch Schubladendenken und Vorurteile wird die Welt nicht freundlicher. Natürlich gibt es konträre Positionen und Konflikte, die sich nicht (einfach) lösen lassen. Natürlich ist Gewalt abzulehnen. Aber dahinter stecken Ängste und daraus entsteht dann Hass.

Es macht mich traurig, dass man wahlweise in eine der beiden Schubladen gesteckt wird, nur weil man versucht, die Ängste der einen oder anderen Seite zu verstehen. Was ja nicht automatisch bedeutet, dass man auch die resultierenden Aktionen gutheißt – was dann leider oft Straftaten gegen Menschen sind. Zur Erinnerung: Passanten, Demonstranten, Polizisten, Flüchtige, Autonome und Neonazis sind alles Menschen. Man muss nicht alle davon mögen, man darf sie ablehnen, aber Hass und Gewalt sind nicht die Lösung.

Allein, mir fehlt der Glaube, dass ein Buch Abhilfe schaffen könnte. Viele Menschen scheinen das Nachdenken verlernt zu haben.

Was wünscht du dir für deine schriftstellerische Zukunft?

Aus meinem Ziel mache ich kein Geheimnis: Ich möchte Geschichten schreiben, die andere Menschen berühren.

Wenn mir eine Leserin oder ein Leser mitgeteilt, dass sie oder er von einem meiner Protagonisten berührt wurde, ist das ein wunderbares Gefühl. Was gibt es für ein schöneres Kompliment?

Ich wünsche mir, dass mir das konstant gelingt, dass ich mich weiter verbessere (besser geht immer) und irgendwann möchte ich einen Roman schreiben – sobald die Zeit reif ist.

Außerdem wünsche ich mir, dass mein Bekanntenkreis von sympathischen Kolleginnen und Kollegen so weiterwächst, wie in den letzten Jahren.

Danke, dass du dir die Zeit genommen hast. Viel Erfolg weiterhin für deine Bücher!

Vielen Dank, Veronika!